Was die Stimme über uns verrät
Augen sind der Spiegel der Seele? Von wegen! Unsere Stimme gibt viel mehr von uns preis. Alter, Herkunft und Stimmung zum Beispiel. Sogar bei der Diagnose von Krankheiten kann sie helfen.
Einzigartig wie ein Fingerabdruck
Hoch, tief, rau, piepsig: Jede Stimme klingt einzigartig – und ist es auch. Weil sich die Beschaffenheit des Stimmapparates bei allen Menschen unterscheidet, ist unsere Stimme so individuell wie ein Fingerabdruck. Allerdings verrät sie viel mehr über uns: Studien zeigen, dass wir über Sprechweise, Vokabular und Stimmklang nicht nur Alter und Geschlecht einer Person erkennen können, sondern auch soziale und regionale Herkunft, Bildungsgrad, Stimmung und Gesundheitszustand. Doch wie funktioniert Sprechen überhaupt? Damit ein Ton entsteht, drücken wir Luft aus unserer Lunge über die Luftröhre in den Hals. Dort sitzt der Kehlkopf, auf dem zwei Stimmbänder gespannt sind. Beim Sprechen verengen sich diese und werden durch die Luft in Schwingung versetzt. Hörbar wird der so erzeugte Ton durch die Verstärkung im Ansatzrohr, also Mund-, Nasen- und Rachenraum.
Hörbare Krankheiten
Stimmen sehen? Was paradox klingt, ist längst Realität. Mithilfe spezieller Sprachsoftwares können Forscher Satzmelodie, Tonhöhe, Sprechgeschwindigkeit, Aussprache, die Spannung der Kehlkopfmuskeln und Stimmbänder als farbige Grafiken darstellen. Das liefert Hinweise auf Krankheiten wie Demenz, Depressionen, ADHS oder Parkinson. Noch steckt die Diagnoseart in den Kinderschuhen, doch erste Studienergebnisse sind vielversprechend: So konnte an der Uniklinik Berlin durch eine Sprachanalyse mit einer Treffsicherheit von 90 Prozent ADHS bei Kindern diagnostiziert werden, weil diese eine eingeschränkte Schwankungsbreite in bestimmten Frequenzbereichen hatten. An der Universität Oxford wird an einer Stimmdiagnose zu Parkinson gearbeitet und auch ein Einsatz bei der Lähmungserkrankung Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) wäre denkbar, weil der Zustand der Stimmbänder ein guter Indikator für das Fortschreiten der Krankheit ist. Großes Potenzial sehen Forscher für die Diagnostik von Depressionen, denn die Krankheit verändert die Sprachmelodie und den Tonus der Kehlkopfmuskeln.
Menthol für die Stimme ist ein Mythos
Raucher klingen Studien zufolge bis zu 15 Jahre älter als sie sind. Wen wundert’s? Rauchen schadet der Stimme, genau wie Lebensmittel, die die Schleimhäute austrocknen – etwa Kaffee, Alkohol und scharfe Gewürze – häufiges Husten und Räuspern, Stress, Sodbrennen und trockene Raumluft. Wer seiner Stimme etwas Gutes tun will, sollte die von einer dünnen Schleimhautschicht überzogenen Stimmbänder feucht halten und viel trinken, am besten Wasser oder warmen Früchtetee. Als Soforthilfe gegen Heiserkeit wirken Gurgeln mit etwas in Wasser aufgelöstem Kochsalz oder das Lutschen von Salbeipastillen, die den Speichelfluss anregen. Eukalyptus, Menthol und Pfefferminz hingegen trocknen die Schleimhäute eher aus. Auch Flüstern schadet der Stimme, weil es anstrengend für die Stimmbänder ist. Kleiner Tipp für Vielredner: Milchprodukte meiden, da diese zu Verschleimungen im Mund- und Rachenraum führen. Und: Lieber einmal kräftig husten, statt sich ständig zu räuspern.