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Von Demenzdörfern und Lokalen Allianzen
Wie ein würdevoller Umgang mit Demenzkranken gelingen kann
Demenzielle Erkrankungen werden in der älter werdenden Gesellschaft immer häufiger. Um einen angenehmen und würdevollen Lebensabend zu gewährleisten, bedarf es daher Lösungsansätzen, die auf die individuellen Bedürfnisse von Demenzkranken eingehen können. Demenzdörfer könnten eine Möglichkeit sein, in allen Lebenslagen der Krankheit für die Betroffenen eine angemessene Umgebung zu bieten. Solche und ähnliche Initiativen werden mittlerweile bundesweit gefördert, um die Lebensqualität bei Demenz, aber auch die der Angehörigen von Erkrankten zu verbessern.
Mathilde kennt sich aus in ihrem Dorf. Sie kennt den Weg zu Caro, der netten Friseurin, den Weg zum Streichelzoo und den zum Gasthof. Dort sitzt sie abends gern und singt mit Freude alte Volkslieder oder lauscht jungen Menschen bei ihrem Bandauftritt. Mathilde hat Demenz. Sie kann sich nicht mehr erinnern, wann sie zuletzt gegessen oder wer ihr morgens im Bad geholfen hat. Dafür kann sie sich ziemlich genau erinnern, wie sie als Kind auf dem Bodensee Schlittschuhlaufen lernte und wie der Weihnachtsbaum duftete. Früher war sie in einem Pflegeheim ruhiggestellt, oft durch Medikamente sediert. Doch heute, wenn es in ihren Beinen kribbelt, kann sie einfach losmarschieren. So könnte es zumindest aussehen, ein würdevolles Leben mit Demenz zu führen – in einem sogenannten Demenzdorf. Bisher existiert in Deutschland aber noch kein solches Demenzdorf.
Demenz – Zahlen und Fakten
Demenz ist der Oberbegriff von über 50 Krankheitsbildern und bezeichnet einen andauernden und fortschreitenden Zustand, bei dem Leistungsbereiche des Gehirns beeinträchtigt sind, weil Nervenzellen verloren gehen. Menschen mit einer Demenz haben zunehmende Schwierigkeiten mit dem Gedächtnis, der Orientierung, der Sprache und der Bewältigung des Alltags. In Deutschland sind bislang über 1,8 Millionen Menschen betroffen. Eine Demenz tritt meistens erst im Alter von über 85 Jahren auf. Durch die steigende Anzahl alter Menschen ist davon auszugehen, dass bis zum Jahr 2050 rund drei Millionen Menschen betroffen sein werden. Alzheimer ist mit über 60 Prozent die häufigste Form von Demenz. Weitere Informationen zum Krankheitsbild.Quelle: Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. / Die Nationale Demenzstrategie
Ein Dorf, das auf die Bedürfnisse von Demenzkranken eingeht

In der Nähe von Amsterdam wurde bereits ein Demenzdorf umgesetzt. Dort entstand vor einigen Jahren De Hogeweyk. Seitdem wird es von Fachleuten und Politikern aus der ganzen Welt besucht. Neben dem dorfähnlichen Charakter weist es noch eine weitere Besonderheit auf: Die Wohnbungalows sind sieben verschiedenen Lebensstilen zugeordnet, welche die Bewohner an ihre Vergangenheit erinnern sollen. Dieses Lebensstil-Konzept möchte auch Anke Franke in Hergensweiler Heimelig umsetzen: „Wenn demenzkranke Menschen in ein Umfeld kommen, das ihnen unvertraut und fremd ist, möchten sie wieder nach Hause. Daher fragen wir uns: Was ist ihre Biografie, was sind ihre Interessen und ihr Bildungshintergrund?“ Ob handwerklich-bäuerlich oder klassisch-kulturell: Es sei faszinierend, wie wohl sich Demenzkranke fühlen könnten, wenn sie Vertrautheit in ihrer nahen Umgebung entdeckten. Das nehme viel Stress.
Stolpersteine und Hürden bei der Umsetzung

Die Nationale Demenzstrategie
Bis 2020 erarbeitet die Bundesregierung gemeinsam mit Bundesländern, Kommunen, Vertretern der Betroffenen, der Pflegeversicherung sowie zahlreichen weiteren Akteuren aus dem Bereich Pflege und Medizin eine Strategie, um die Lebenssituation von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen in Deutschland zu verbessern. Außerdem sollen tragfähige Strukturen für die Zukunft geschaffen werden. Dabei setzt sich die Erarbeitung einer Nationalen Demenzstrategie aus vier Handlungsfeldern zusammen:- Strukturen zur gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Demenz an ihrem Lebensort ein- und ausbauen.
- Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen unterstützen.
- Medizinische und pflegerische Versorgung von Menschen mit Demenz weiterentwickeln.
- Exzellente Forschung zu Demenz fördern.
Die Strategie soll Anfang 2020 vom Bundeskabinett beschlossen werden.
Weitere Informationen: www.nationale-demenzstrategie.de
Weitere Informationen: www.nationale-demenzstrategie.de
Lokale Allianzen für Menschen mit Demenz

Um die Nachhaltigkeit des Bundesmodellprogramms zu sichern, wurde eine Netzwerkstelle bei der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) geschaffen. Mit Workshops, Vernetzungstreffen und Fachtagungen unterstützt sie die Lokalen Allianzen auch über das Programm hinaus. Im nächsten Jahr soll es zusätzlich konkrete Beratungsangebote für lokale Netzwerke geben. Stefanie Adler ist Leiterin der Netzwerkstelle. Ihre Zukunftsvision sind passende Angebote für Demenzkranke und ihre Angehörigen in allen Kommunen Deutschlands: „Ich würde mir wünschen, dass man als Angehöriger oder Betroffener vor Ort Ansprechpartner hat und dass man auch um diese Möglichkeiten weiß.“ Ihr ist es darüber hinaus wichtig, dass Demenzkranke als selbstverständlicher Teil der Gesellschaft wahrgenommen werden: „Oft herrscht das Bild vor, dass die Menschen mit Demenz ein Defizit haben. Aber eigentlich hat die Gesellschaft ein Defizit im Umgang mit diesen Menschen.“
O-Ton: Stefanie Adler zum Umgang mit Demenzkranken.
Schuldgefühle und Gewissensbisse der Angehörigen

Anlaufstellen für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen
Wegweiser Demenz
Auf der Webseite Wegweiser Demenz des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend findet sich eine umfangreiche Adressdatenbank mit Beratungsstellen vor Ort.
Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz
Auf der Webseite finden sich neben vielfältigen Informationen zum Krankheitsbild auch regionale Ansprechpartner sowie der Kontakt zu einem Alzheimer-Telefon, bei dem Betroffene und Angehörige professionell beraten werden.Aktualisiert am 01.01.2024