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    Depression in der Krise:

    Mit Online-Tools meistern

Rund jeder fünfte Erwachsene erkrankt im Laufe seines Lebens an einer depressiven Störung. Oft ausgelöst durch belastende Lebens­ereignisse wie die Trennung von einem geliebten Menschen, traumatische Erlebnisse oder Konflikte. Eine Erfahrung, die auch Christina gemacht hat: Als sie im Frühjahr 2020 ihren Job verlor, zog es ihr den Boden unter den Füßen weg. Die Veran­staltungs­kauf­frau erzählt von ihren Symptomen und wie sie schließlich online Hilfe fand.
Zitat: 202 war definitiv ein hartes Jahr. - Christina
„2020 war definitiv ein hartes Jahr“, sagt Christina. „Ich habe meinen Job schon immer geliebt. Ich bin Veran­staltungs­kauffrau und habe im Projekt­management einer Komm­uni­ka­tions­­ag­en­tur gearbeitet. Meine Kolleginnen und ich waren ein tolles Team und die Projekte haben Spaß gemacht. Ich würde schon sagen, dass mich mein Beruf ein Stück weit ausmacht. Ich stecke viel Leidenschaft in meine Arbeit.“ Als die Corona-Krise Fahrt aufnimmt, kommt für Christina der Schock: Die Agentur hat durch die Pandemie Kunden verloren und wirtschaftliche Probleme. Christina wird entlassen. „Obwohl ich die Kündigung nach­voll­ziehen konnte und es die Aussicht auf einen Wieder­einstieg gab, war ich unglaublich traurig“, so die 28-Jährige. „Natürlich kamen auch Existenzängste auf: Wie würde ich die nächste Zeit über die Runden kommen? Finde ich einen neuen Job?“
Christina machte sich auf Jobsuche – ohne Erfolg. Sie ist hoch­qualifiziert, doch die wirtschaftliche Lage hat bei vielen Un­ter­neh­men zu einem Einstellungs­stopp geführt. „Ich habe Arbeitslosen­geld beantragt, das lief ohne Probleme“, erzählt Christina. „Dann dachte ich mir: Wenn ich eh nichts machen kann, versuche ich die freie Zeit einfach zu genießen. Leider war das kaum möglich.“
Infografik Depression
Jeder fünfte Deutsche leidet unter einer Depression

Klassische Symptome: Gedrückte Stimmung, Antriebslosigkeit, Erschöpfung

Zitat: Nach einigen Wochen hatte ich noch nicht mal mehr Motivation, morgens aufzustehen. - Christina
Christina versuchte, das Beste aus der unfreiwillig gewonnenen Freizeit zu machen, doch coronabedingt war sie stark eingeschränkt: Die fehlenden sozialen Kontakte und ein Alltag ohne Struktur und Aufgabe machten ihr zu schaffen: „Eigentlich wusste ich gar nicht so recht, wohin mit mir. Früher konnte ich noch regelmäßig ins Fitness­studio gehen und viele Freunde treffen, aber auch das war irgendwann nicht mehr möglich. Ich war einfach nur müde, schlecht drauf und unmotiviert.“ Auch wenn sich depressive Störungen unterschiedlich bemerkbar machen, waren Christinas Symptome typisch: Ihre Stimmung war gedrückt, fast freudlos. Ihr fehlte es an Antrieb und sie wurde immer erschöpfter. „Nach einigen Wochen hatte ich noch nicht mal mehr Motivation, morgens aufzustehen“, erinnert sich Christina. „Auch mein Selbstwertgefühl war einfach verschwunden. Im Gespräch mit meinen Freundinnen und der Familie war ich zunehmend gereizt, das tat mir oft auch leid.“ Ihre beste Freundin Katja war es schließlich, die entscheidet: So kann es nicht weitergehen. „Sie hat sich Sorgen gemacht und irgendwann die Symptome einer Depression gegoogelt. Als ich mich in einigen Punkten wiedergefunden habe, konnte ich das nicht so recht glauben. Klar, ich war schlecht drauf, aber eine Depression? Das konnte ich mir nicht vorstellen.“

Die ver­­­schie­­de­n­­en For­­­men de­­­pres­s­i­ver Stö­run­g­en

De­pression­en unterscheiden sich zum einen hin­sichtlich ihres Schwere­grades. Es wird in leichte, mittel­gradige und schwere De­pression­en unter­schieden – je nach An­zahl und Intensität der Be­schwer­den. Zum an­der­en gibt es sowohl ein­malig auf­tretende de­pressive Epi­soden und wieder­kehrende Störungen als auch lang­anhaltende de­pressive Ver­stimmung­en. Manche De­pression­en sind an Lebens­situationen geknüpft: Zum Beispiel die Winter­depression oder die post­natale De­pression.

Erste Schritte raus aus der Krise: Auf der Suche nach Unterstützung

Zitat: Dann habe ich geschaut, wo ich mich beraten lassen könnte. - Christina
Doch Katja blieb am Ball und recherchierte, wie sie Christina helfen kann. „Ich bin ihr unheimlich dankbar. Ich hatte einfach nicht die Energie, mich überall einzulesen.“ Doch als Katja vorschlug, nach einem Psycho­thera­peut­en zu suchen, war Christina erst mal zögerlich. Kein Wunder, denn leider sind auch in Deutschland psy­chi­sche Er­krank­ungen nach wie vor mit einem Stigma behaftet, was viele davon abhält, sich frühzeitig Hilfe zu holen. „Ich habe gemerkt, dass ich mich unter­schwellig schuldig und schwach gefühlt habe – ob­wohl ich es doch eigentlich besser weiß. Außer­dem dachte ich, dass es doch nicht so schlimm sei. Ich habe meine Symptome ab­gewertet. Mit diesen Ge­fühlen musste ich mich erst einmal arrangieren. Dann habe ich geschaut, wo ich mich beraten lassen könnte.“ Christina kontakt­ierte psycho­thera­peut­ische Praxen in ihrer Stadt. Nir­gend­wo bekam sie einen Ter­min, manche Thera­peuten setzten sie auf die Warteliste. Mit diesem Problem war Christina nicht allein: Während der Corona-Pandemie litten depressiv Erkrankte besonders stark. Das Deutschland-Barometer Depression bestätigte im November 2020: Betroffenen machte besonders die fehlende Struktur im Alltag zu schaffen. Immer mehr Menschen verbrachten ganze Tage im Bett. Besonders interessant: In dieser Zeit erhöhter psychischer Belastung und physischer Distanz ließen sich immer mehr Betroffene in Telefon- oder Video-Sprechstunden behandeln. Auch Christina wählte den digitalen Weg.

Schnelle Hilfe bei depressiven Störungen: Online-Therapeuten und -Kurse

Die 28-Jährige fand zwar keinen freien Therapieplatz, dafür aber ein breites Online-Angebot, das sie positiv überraschte: Von Plattformen, die Therapeuten und Berater für digitale Beratungen vermitteln, bis zu solchen, die Depressions- und Selbsthilfe-Kurse anbieten. „Zu Beginn war ich unsicher, was ich machen soll und habe erst einmal ein paar Termine mit einer Therapeutin gebucht, die ich selbst bezahlt habe. Das war ein guter Einstieg.“ Im Gespräch mit der Expertin bestätigte sich: Christina leidet unter einer leichten depressiven Störung. Aus den ersten Beratungen nahm sie bereits mit, wie wichtig Struktur im Alltag, soziale Kontakte und Sport für ihre mentale Gesundheit sind – und begann, gesunde Gewohnheiten zurück in ihren Alltag zu bringen. „Nach der Kündigung und wegen Corona sind alle meine Strukturen auseinandergebrochen. Da musste ich ran: Ich mache jetzt regelmäßig Yoga über eine Online-Plattform, habe mir fixe Termine zum Skypen mit Freunden gesetzt und meditiere fast täglich über die App 7mind. Das gibt mir Ruhe.“ Nach fünf Terminen bei der Online-Therapeutin stieg Christina auf einen Online-Kurs bei Depressionen um – auch aus finanziellen Gründen. „Gleichzeitig stehe ich auf der Warteliste einiger Therapeuten, deren Behandlung von meiner Krankenkasse übernommen wird. Ich will die Therapie gern weitermachen und auch die Themen unter die Lupe nehmen, die die depressive Störung bei mir begünstigt haben. Die Therapeutin hat mir erklärt, dass manche Menschen gefährdeter sind als andere.“

Wichtig in Kri­sen­zei­ten: Dem Tag Stru­ktur geben

Wer in einer depressiven Phase steckt, hat meist schon morgens keine Motivation, aufzustehen. Das Risiko zu versacken ist hoch. Deswegen kann ein strukturierter Tag Halt geben. Wichtig: Es geht hierbei nicht um Produktivität und abgehakte To-dos, sondern um stabilisierende Säulen, die durch den Tag helfen – und darum, gut zu sich zu sein. Es sollten Punkte auf der Tagesagenda landen, die guttun. Zum Beispiel:
  • Zähne putzen
  • Duschen
  • Gemütlich eine Tasse Kaffee trinken und ein Brot essen
  • Sich 15 Min­uten Zeit für eine Ent­spann­ungs­üb­ung wie auto­genes Train­ing oder eine Medi­tation nehmen
  • Zu einer fest­gelegten Uhr­zeit eine Freund­in an­rufen
  • Einmal die eigene Straße hoch- und runterspazieren
  • Eine Seite in einem Buch lesen

Positiver Ausblick: Neue Strukturen und digitale Hilfe

Zitat: Nach der Kündigung und wegen Corona sind alle meine Strukturen auseinandergebrochen. - Christina
Christinas Kündigung liegt inzwischen fast ein Jahr zurück. Die Veranstaltungskauffrau ist wieder auf Jobsuche. Sie arbeitet nach wie vor mit einem Online-Kurs, achtet auf einen strukturierten Alltag und ist optimistisch, dass sie bald einen Psycho­thera­pie-Platz bekommt. Nach dem schweren Tief vor einigen Mo­nat­en geht es ihr inzwischen deutlich besser – auch wenn es immer mal wieder schlechte Tage gibt. Ihre Tipps: „Sprecht mit Familie oder Freun­den, wenn es euch nicht gut geht. Es gibt nichts, wofür ihr euch schämen müsst. Pro­fession­elle Hilfe ist immer eine gute Idee – mit einem gebrochenen Bein geht man ja auch zum Arzt. Außerdem gibt es heutzutage tolle digitale Tools, die einen begleiten und stützen. Das kann ich nur empfehlen.“

Check­liste: Was tun bei de­press­iv­en Symp­to­men?

  • Struktur in den Alltag bringen: Feste Schlafenszeiten, tägliche Rituale und wohltuende To-dos einplanen.
  • Auch wenn es schwerfällt: Bewegung hilft. Integrieren Sie Sporteinheiten und Spaziergänge in Ihren Tagesplan.
  • Tageslicht tanken: Nur so kann der Körper das Wohlfühlhormon Serotonin produzieren.
  • Soziale Kontakte pflegen: Pflegen Sie Ihre sozialen Kontakte und sprechen Sie regelmäßig mit Familie und Freunden.
  • Finden Sie eine Entspannungsmethode, die zu Ihnen passt: Zum Beispiel über Meditations-Apps oder Übungsvideos für progressive Muskelentspannung.
  • Immer mehr digitale Tools unterstützen Sie in Krisenzeiten: Finden Sie schnelle Hilfe über Online-Beratungen oder digitale Selbsthilfeprogramme.
  • Hilfe suchen: Suchen Sie sich bei steigendem Leidensdruck in jedem Fall professionelle Beratung – egal, ob online oder offline. 

So finden Sie Hilfe bei depressiver Verstimmung

Online-Therapie: Ihre digitale Anlauf­stelle für un­kompli­zierte Hilfe
Gesunde Seele ist das Selbsthilfeprogramm für Kunden der UKV und kann auch therapiebegleitend eingesetzt werden. Der Stress Guide von Kenkou hilft zusätzlich dabei, mehr Ruhe und Gelassenheit in den Alltag zu bringen.
 
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Wer psychotherapeutische Beratung vor Ort sucht, hat verschiedene Optionen. Neben der klassischen Google-Suche hilft vor allem die Arztsuche des Patientenservice 116117. Auf therapie.de finden Sie ebenfalls die Kontaktdaten von rund 10.000 Experten. Natürlich ist auch Ihre Krankenversicherung ein Ansprechpartner, der unterstützen kann. Wer bei der UKV versichert ist, kann die kostenlose Ärztevermittlung nutzen und sich passende Therapeuten vorschlagen lassen. Leider ist die Suche nach einem Psycho­therapie­platz oft mit Durch­halte­ver­mög­en verbunden. Viele Praxen sind ausgelastet. In akuten Fällen finden Sie Hilfe bei der TelefonSeelsorge.
Veröffentlicht am 30.11.2020