Mittlerweile ist zur Hauptaufgabe des Psychologen geworden, die Mitarbeiter zu coachen. Die Situation habe sich dadurch schon verbessert, für einen Psychotherapeuten plädiert Rotondo aber trotzdem: „Ein angestellter Psychotherapeut könnte sich neben den Pflegefällen auch um das Personal kümmern – und vielleicht sogar um die Angehörigen.“
Wie wichtig Psychotherapieangebote für pflegende Angehörige sind, hat auch Karina Lehnhardt erfahren. „Die Veränderungen kamen eher langsam. Es ging in den Gesprächen oft um sehr konkrete Ereignisse, von denen ich berichtet habe“, erklärt sie. Die Therapie habe ihr sehr geholfen, sich selbst besser zu verstehen, sich innerlich distanzieren zu können und damit auch Grenzen zu setzen. „Mittlerweile habe ich an bestimmten Stellen die Weichen so gestellt, dass ich mich weitgehend heraushalten kann. Ich selbst arbeite nicht für meinen Mann“, stellt die 52-jährige fest. Das mag für Betroffene etwas hart klingen, ist aber ein notwendiger Schritt, um nicht an der Pflegebedürftigkeit des Angehörigen selbst zugrunde zu gehen. „Nein“ zu sagen, das ist oft nicht leicht, aber, so Lehnhardt weiter, „es war sehr erleichternd, auch mal eine Entscheidung abgeben zu dürfen und in einem kleinen Bereich nicht verantwortlich sein zu müssen.“
Anderen pflegenden Angehörigen empfiehlt Karina Lehnhardt, sich unbedingt Hilfe zu holen, wenn die Belastung zu groß wird. Und wenn es nur der eigene Hausarzt ist. Außerdem hat sie eine Idee, wie die Situation verbessert werden könnte, um Angehörigen zu helfen: „Es müsste beim Hausarzt ein Schreiben geben, in dem pflegende Angehörige dem Hausarzt erlauben Daten und Kontakte an eine neutrale Stelle weiterzuleiten. Die setzen sich dann mit den Betroffenen in Verbindung und sind erst einmal nur für Gespräche da und schauen, wo Bedarf vorhanden ist. Und zwar proaktiv, damit nicht erst die Betroffenen den ersten Schritt machen müssen.“