Was sind die Gründe dafür, dass man so schnell Gefahr läuft, in Armut zu enden?
Hallermann: Die durchschnittliche Pflegedauer beträgt 9,3 Jahre, danach ist man erschöpft, möglicherweise auch länger in einer Trauerphase. Nach so langer Zeit wieder in den Beruf zurückzukehren, ist schwer. Wir kennen Familien, die nicht wissen, wovon sie sich ein Brot kaufen sollen. Als wir 2009 angefangen haben, diese Geschichten zu erzählen, wurden wir von der Politik und den Medien nicht ernst genommen. Es hieß, das seien nur bedauerliche Einzelschicksale von Familien, die ihr Familien-Management nicht organisiert bekommen. Das stimmt so nicht, pflegende Familien haben keine Chance, der Armutsspirale zu entkommen. Dazu kommt, dass pflegende Familien durch die Pflege so sehr eingebunden sind, dass sie gar keine Kraft haben, auch noch für sich selbst zu kämpfen. Zu der finanziellen kommt die soziale Armut: Weil man nie rauskommt, kann man keine sozialen Kontakte pflegen, was auch sehr belastend ist. Deshalb ist es so wichtig, mit „wir pflegen“ eine Interessenvertretung für die größte Pflegesäule in Deutschland zu haben, die sich für verbesserte Unterstützung und soziale Absicherung einsetzt.