24.02.2015

Das Pillen-Problem

Der Kopf schmerzt, der Hals kratzt, das Knie tut weh: In solchen Fällen greifen viele Menschen bedenkenlos zu rezeptfreien Schmerzmitteln. Obwohl die Nebenwirkungen von Ibuprofen, Paracetamol & Co. oft gravierend sind, weiß kaum jemand darüber Bescheid. Ein Plädoyer für mehr Eigenverantwortung und weniger Pillen.

Eigentlich meint es der Schmerz gut mit uns. „Schmerzen sind Warnsysteme, die Schlimmeres verhindern sollen“, sagt Professor Hartmut Göbel, Chefarzt der Schmerzklinik Kiel, und hat auch gleich ein Beispiel parat: Wenn wir etwa zu lange am Schreibtisch sitzen, fängt mitunter der große Po-Muskel Gluteus maximus an, uns böse zu zwicken. Das ist jener Muskel, der bei starker Verkürzung auf den Ischiasnerv drückt – was sich deutlich unangenehmer anfühlt als ein kurzfristig meckernder Muskel. Der Grund für das Schmerzsignal ist das verhärtete oder verklebte Bindegewebe, das die Muskeln ummantelt.
Der Körper macht uns damit auf ein Problem aufmerksam, aus dem schlimmstenfalls eine chronische Schmerzkette entstehen kann. Verständlich also, dass der innere Arzt zur Vorsicht mahnt. Doch anstatt ein paar Minuten vom Schreibtisch aufzustehen oder mit gezielten Bewegungen die Wirbelsäule zu stärken, hat sich eine bequemere Lösung in unser Leben geschlichen. Egal, ob nun unser Rücken, Kopf, Hals oder die Gelenke schmerzen: Viele schlucken Tabletten dagegen.
Die Packung Ibuprofen oder Paracetamol findet sich heute genauso selbstverständlich wie Kaugummi und Taschentücher in unseren Taschen. Daran ist erst einmal nichts verkehrt: „Wir haben unser ganzes Leben darauf ausgerichtet, keine Schmerzen zu bekommen und nicht leiden zu müssen“, sagt Göbel. Das Dilemma liege vielmehr in der falschen Anwendung von Schmerzstillern. Deutschlands Mediziner verordnen inzwischen eine Rekordmenge davon. Wir greifen aber auch gerne ohne ärztliche Beratung zu: Im Jahr 2013 gingen allein 158 Millionen Packungen über die Apotheker-Theken, das sind knapp zwei Packung pro Kopf. Davon waren 116 Millionen Packungen nicht verschreibungspflichtig. Das Problem: Kaum jemand liest die Beipackzettel und kennt die Risiken, viele Menschen konsumieren die Pillen völlig bedenkenlos – manchmal sogar präventiv.

Suggerierte Leistungsfähigkeit

Tabletten dienen heute als technische Lösung, weil wir funktionieren und manches einfach herunterschlucken müssen. Das Kopfweh, weil die Präsentation beim Kunden ansteht. Das fiese Ziehen in der Wade, weil das Tennisturnier stattfindet. Der fiebernde Nachwuchs bekommt süßen Ibu-Saft, damit er in die Kita und Mama arbeiten gehen kann. Und Oma schluckt das Kombi-Schmerzmittel, das durch das enthaltene Koffein gleich noch die Laune hebt.
Nun nehmen die Pillen der Großmutter vielleicht für ein paar Stunden den Akutschmerz, die Panik und die Müdigkeit. Gegen ihre eigentlichen gesundheitlichen Probleme helfen sie aber nicht. Die können im gedämpften Zustand eher schlimmer werden, weiß Professor Heinz Reichmann, Direktor der Dresdner Klinik und Poliklinik für Neurologie und Mitglied in unserem medizinischen Beirat: „Ab einem gewissen Alter haben Leber und Nieren bei allen Menschen schon einiges mitgemacht. Da Schmerzmittel über diese Organe verarbeitet werden, besteht bei einer zu hohen Dosierung die Gefahr, dass größere Schäden entstehen.“
Eine Vergiftung zum Beispiel. Die Leber ist das größte Entgiftungsorgan des Menschen, hier werden die schmerzstillenden Substanzen verarbeitet. Bei zu hohen Dosen kann sie ihren Dienst versagen. Paracetamol etwa belegt auf der Liste der häufigsten chemischen Vergiftungsursachen, die zwischen 2002 und 2012 beim deutschen Giftinformationszentrum registriert wurden, Platz zwei – und folgt damit unmittelbar auf Alkohol. Und Acetylsalicylsäure, kurz ASS, hemmt nicht nur die Blutgerinnung. Sie kann Geschwüre und Blutungen im Magen und Darm hervorrufen, weil sie die Schleimhäute angreift. Auch eine zu hohe Dosierung des Trendmittels Ibuprofen kann böse enden: Die Pillen können den Magen schädigen und das Risiko von Herzinfarkt, Schlaganfall und Hörstörungen steigern.

Die Dosierung muss stimmen

Überdosiert sind Schmerzmittel sehr schädlich. Generell kann die wiederholte Überdosierung zu Organschäden, Dauerschmerzen oder Depressionen führen. Das alleine zeigt, dass es sich um Medikamente handelt, die man mit Bedacht anwenden und nicht bei jeder Kleinigkeit schlucken sollte. Zumal bei einer dauerhaften Einnahme oft die generelle Schmerzempfindlichkeit steigt: „Der Körper soll Schmerzen eigentlich selbständig regulieren“, erklärt Hartmut Göbel, „wenn man ihn zu sehr an Schmerzmittel gewöhnt, reagiert er selbst auf eine kleine Medikamentenpause irritiert und schraubt die Sensibilität nach oben.“ Wichtig ist, sich genau an die Angaben für die Dosierung in den Beipackzetteln zu halten.
Wie aber geht man verantwortlich mit Schmerzmitteln um, ohne die eigene Gesundheit aufs Spiel zu setzen? Neurologe Heinz Reichmann gibt eine simple Empfehlung zur Einnahme und Dosierung der kleinen Helfer: „Wenn Wärme oder Kälte nicht helfen, ist die kurzzeitige Einnahme eines Schmerzmittels sinnvoll, um aus dem Spannungszustand herauszukommen.“ Dann auch gerne in höherer Dosierung, ergänzt Hartmut Göbel. „Der Schmerz soll nämlich nicht gedämpft, sondern gestoppt werden.“
Dafür sind in Ausnahmefällen auch mal bis zu sechs Ibuprofen-Tabletten oder Paracetamol am Tag in Ordnung – in nicht verschreibungspflichtigen Dosen, versteht sich. Wer mehr nimmt, riskiert massive Schäden. Genau das aber tun viele Menschen gerne: Sie schlucken täglich ein bis zwei Pillen über einen längeren Zeitraum hinweg, weil sie sich dadurch besser, leistungsfähiger und wohler fühlen. In diesem Fall ist die Gefahr einer Gewöhnung groß. Professor Göbel erlebt in der Kieler Schmerzklinik täglich, wie problematisch dieser falsche Umgang mit Schmerzmitteln ist.

Nichtstun gegen Schmerzen

Dort wurde eine Regel entwickelt, um einen übermäßigen Gebrauch von Medikamenten zu erkennen und zu vermeiden: Tabletten können demnach maximal an zehn Tagen im Monat eingenommen werden, damit sich der Körper nicht daran gewöhnt. Außerdem sollte man sich auf eine gesunde Lebensführung konzentrieren. Dazu gehören regelmäßige Wach- und Schlafrhythmen sowie Essenszeiten, weil das Energie schenkt.

Davon brauchen gerade Frauen, die häufiger Schmerzmittel schlucken als Männer, mehr. Der Grund: „Frauen machen fast immer mehrere Sachen auf einmal. Außerdem fühlen sie tiefer, freuen sich mehr, sind häufiger traurig. Das verbraucht Kraft, die man sich am besten über Ernährung und Entspannung zuführt“, so Göbel. Besonders Wärme kann da Wunder wirken. Wer sich im Bett ab und zu eine Wärmflasche unterhalb des rechten Rippenbogens auf den Bauch legt, tut der Leber etwas Gutes. Dies regt die Durchblutung an und hilft unserem Entgiftungsorgan, seine Arbeit zu tun.
Neben einem gleichmäßigen Tagesablauf lindert gesunder Sport Schmerzen. Beim Yoga zum Beispiel werden alle Zellen durchblutet, was wiederum dem reinigenden Lymphsystem hilft. Hartmut Göbel empfiehlt seinen Patienten als Entspannungstechnik die „Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen“ – „weil das jeder sofort machen kann.“ Das Wichtigste aber ist vielleicht das Nichtstun, täglich eine halbe Stunde lautet die Empfehlung. Vielen gehetzten und schmerzgetriebenen Menschen fällt das besonders schwer, hat Hartmut Göbel festgestellt. Als er einer Schmerzpatientin den Rat gab, antwortete sie: „Wann soll ich das denn noch machen?“
 
 

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