Sie möchten als pflegender Angehöriger Urlaub machen – alleine oder gemeinsam mit Ihrem Pflegeschützling? Sie müssen auf Dienstreise oder wollen sich ein paar Stunden Auszeit von Ihrer Pflegetätigkeit nehmen? Egal ob Urlaub, Wellness-Nachmittag oder Geschäftstermin: Wir zeigen Ihnen hier, welche finanziellen Hilfen es aus der Pflegeversicherung gibt und wie Sie Verhinderungspflege wie auch Kurzzeitpflege beantragen.
1.) Ich möchte ohne die Person, die ich pflege, Urlaub machen.
2.) Ich möchte mit der Person, die ich pflege, zusammen in Urlaub fahren.
3.) Ich brauche mal ein Wochenende für mich.
Rund 70 Prozent der Pflegebedürftigen in Deutschland werden zu Hause versorgt. Pflegende Angehörige sind ein zentraler Baustein unseres Pflegesystems: Ohne sie könnte man Pflegebedürftigen den Wunsch, weiterhin in den eigenen vier Wänden zu leben, nicht erfüllen. Doch diese Unterstützung erfordert viel Kraft, Zeit und Nerven. „Die Versorgung und Betreuung von pflegebedürftigen Angehörigen ist eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit“, sagt Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen und Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten sowie Bevollmächtigter für Pflege. Zu ihrer Entlastung können verschiedene Hilfen aus der privaten Pflegepflichtversicherung in Anspruch genommen werden. Laut einer Statistik des Bundesministeriums für Gesundheit tun das aktuell jedoch nur wenige: Im Jahr 2014 beantragten von 1,95 Millionen Pflegebedürftigen nur 106.700 – also 5,5 Prozent – die sogenannte Verhinderungspflege. Viele Pflegende haben Hemmungen, den Angehörigen einer fremden Person zu überlassen. Dabei sind Auszeiten wichtig: Statistiken zufolge haben Pflegende ein hohes Krankheitsrisiko. Sie leiden häufiger an körperlichen Beschwerden wie Rückenschmerzen und psychischen Problemen wie Depressionen.
Die wichtigsten Begriffe erklärt: Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege – was heißt das eigentlich?
Sie pflegen zu Hause einen Angehörigen und brauchen von dieser Aufgabe eine Auszeit? Unabhängig davon, aus welchen Gründen Sie sich frei nehmen möchten, Sie haben Anspruch darauf. Unter der Voraussetzung, dass eine private Person Ihren Angehörigen bereits sechs Monate in seiner häuslichen Umgebung versorgt hat, übernimmt die private Pflegepflichtversicherung die Kosten für die Verhinderungspflege. Der Pflegebedürftige muss dafür entweder ein anerkannter Pflegefall sein oder der sogenannten „Pflegestufe 0“ angehören – das sind zum Beispiel Demenzkranke oder geistig behinderte Menschen mit einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz.
- Verhinderungspflege: Der Pflegebedürftige wird in seinem häuslichen Umfeld durch eine Ersatzpflegeperson weiterversorgt. Dies kann ein anderer Angehöriger, ein Nachbar oder ein Bekannter sein. Auch ambulante Pflegedienste oder Betriebshilfsdienste können diese Ersatzpflege übernehmen. Pro Kalenderjahr stehen sechs Wochen Verhinderungspflege und bis zu 1.612 Euro zur Verfügung. Die Zeit muss nicht an einem Stück genommen, sondern kann nur tage- oder stundenweise beansprucht werden. Leistungen aus der Verhinderungspflege lassen sich nicht in das Folgejahr übertragen. Wird die Verhinderungspflege von einem nahen Angehörigen (Kinder, Eltern, Enkelkinder, Großeltern, Geschwister, Stiefenkel, Schwiegerkinder, Großeltern des Ehepartners, Schwager/Schwägerin) übernommen, sind die Aufwendungen auf den 1,5-fachen Betrag des Pflegegeldes der entsprechenden Pflegestufe im Kalenderjahr beschränkt. Wenn notwendige Aufwendungen – zum Beispiel für Fahrtkosten oder bei einem Verdienstausfall – nachgewiesen werden, lässt sich die finanzielle Unterstützung auch für nahe Angehörige auf bis zu 1.612 Euro pro Kalenderjahr aufstocken. Insgesamt dürfen die Aufwendungen der Pflegeversicherung die 1.612 Euro nicht überschreiten.
- Kurzzeitpflege: Zur Entlastung pflegender Angehöriger kann die sogenannte Kurzzeitpflege infrage kommen. Dabei handelt es sich um ein zeitlich befristetes Angebot der vollstationären Betreuung pflegebedürftiger Menschen in einer Pflegeeinrichtung. Pro Kalenderjahr stehen hierfür acht Wochen und bis zu 1.612 Euro zur Verfügung. Die Zeit muss nicht am Stück genommen werden, sondern lässt sich in mehrere Aufenthalte splitten. Leistungen aus der Kurzzeitpflege können nicht in das Folgejahr übertragen werden.
Unter Pflegeeinrichtungen versteht man zum einen ambulante Pflegedienste, die Pflegebedürftige zu Hause versorgen, und zum anderen stationäre Pflegeheime, in denen die Pflegebedürftigen entweder ganztägig (vollstationär), tagsüber oder nachts (teilstationär) untergebracht sind. Voraussetzung für eine Leistung aus der Pflegepflichtversicherung ist, dass es sich um eine Einrichtung handelt, die den Kriterien des Sozialgesetzbuches entspricht. Das bedeutet: Die Pflegeeinrichtung muss selbstständig wirtschaftend sein und unter der ständigen Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft stehen.
Bessere Kombinationsmöglichkeiten schaffen Flexibilität bei Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege
Die Verhinderungspflege und die Kurzzeitpflege stehen allen Pflegebedürftigen unabhängig von der Pflegestufe zur Verfügung. Seit dem im Januar 2015 in Kraft getretenen Pflegestärkungsgesetz ist bei diesen Leistungen eine Flexibilisierung möglich. Jetzt können beide Pflegearten miteinander kombiniert werden. Das heißt: „Bis zu 806 Euro, die bei der Kurzzeitpflege nicht in Anspruch genommen werden, können jährlich für die Verhinderungspflege eingesetzt werden“, so Minister Laumann. Der Betrag erhöht sich dadurch auf bis zu 2.418 Euro im Kalenderjahr. „Umgekehrt kann der komplette Leistungsbetrag der Verhinderungspflege auch für die Kurzzeitpflege eingesetzt werden – sofern er bei der Verhinderungspflege nicht in Anspruch genommen wird“, erklärt Laumann. Dadurch steigen die für die Kurzzeitpflege zur Verfügung stehenden Mittel auf bis zu 3.224 Euro pro Jahr.
Sowohl bei der Kurzzeitpflege als auch bei der Verhinderungspflege wird das Pflegegeld aus der Pflegepflichtversicherung für die gesamte Dauer (also für acht Wochen Kurzzeitpflege und für sechs Wochen Verhinderungspflege) zu 50 Prozent weitergezahlt. Pflegegeld erhält, wer seine eigene Pflege durch Angehörige oder ehrenamtlich tätige Personen sicherstellt und in seinem häuslichen Umfeld betreut wird. Deshalb wird es teilweise auch als „häusliches“ Pflegegeld bezeichnet. Der Betroffene bekommt das Pflegegeld von der Versicherung überwiesen. Er kann über dessen Verwendung frei verfügen und das Geld zum Beispiel als Anerkennung an seinen pflegenden Angehörigen weitergeben. Die Höhe richtet sich nach der festgestellten Pflegestufe und ist gesetzlich vorgeschrieben.
Veröffentlicht: 15.06.2016