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    Nicht genug Hormone im Körper

    Unabhängig reisen mit der Autoimmunerkrankung „Hashimoto“

Als sich Christiane Loch oft müde fühlte, ihren Arbeitstag nicht ohne Mittagsschlaf überstand und trotz unveränderter Essgewohnheiten an Gewicht zunahm, fand sie heraus, dass es an einer Schilddrüsenunterfunktion liegen könnte. Ihre Ärztin bestätigte die Vermutung und nannte ihr die Ursache: Sie leidet an der Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis. Um ihr Leben wie vorher weiterführen zu können, muss sie seitdem Hormone nehmen. Sie entwickelte aber auch einen speziellen Ernährungsleitfaden für Hashimoto-Erkrankte, der ihr zu neuer Energie im Leben verholfen hat.
Jeden Morgen nimmt Christiane Loch ihre Schilddrüsentablette, egal, wo auf der Welt sie sich gerade befindet. Zwischen den verschiedenen Zeitzonen ist das manchmal gar nicht so leicht, denn die selbstständige IT-Projektmanagerin ist ständig auf Achse, im In- und im Ausland. Schon immer reiste sie gern, studierte Tourismus und war schon in jungen Jahren als Reiseleiterin unterwegs. Als bei ihr vor fünf Jahren die Autoimmunerkrankung Hashimoto diagnostiziert wurde, zog es sie daher in die Ferne und sie nahm sich ein Jahr Auszeit zum Reisen. Dabei entdeckte die 47-Jährige nicht nur, wie man gut mit der Erkrankung leben kann, sondern auch, dass ihr das Arbeiten in verschiedenen Ländern gefällt. Heute sind ihre Kunden große Unternehmen. Um mit der Autoimmunerkrankung besser umgehen zu können, mietet sie sich an den Firmenstandorten Unterkünfte. Zuhause in Deutschland ist sie nur selten.

Die Erkrankung Hashimoto im Überblick

Bei einer Autoimmunerkrankung (von griechisch „autós“ = „selbst“) macht das Abwehrsystem Jagd auf eigenes Körpergewebe. Ziel der Angriffe können – je nach Art der Autoimmunerkrankung – verschiedene Organe im Körper sein. Bei der Hashimoto-Erkrankung greifen Antikörper zwei Eiweiße in Schilddrüsenzellen an. Eines davon ist wichtig für die Bildung der Schilddrüsenhormone. Dadurch wird zu wenig Schilddrüsenhormon produziert. Das zweite Eiweiß dient der Speicherung der Schilddrüsenhormone. Die Antikörper machen also die Schilddrüsenzellen funktionsunfähig oder zerstören sie. Wenn die Schilddrüse daraufhin schrumpft, entsteht eine Schilddrüsenunterfunktion. In selteneren Fällen kann die Erkrankung auch mit einer Vergrößerung der Schilddrüse einhergehen. Die Erkrankung beginnt schleichend, so dass die Betroffenen häufig lange schon mit den Beschwerden kämpfen, bevor die Diagnose mit Sicherheit gestellt werden kann.

Standardtherapie: Hormontabletten

Zitat: Es müssten weitere Faktoren hinzukommen, damit die Krankheit ausbricht. Das können Virusinfekte sein oder einfach nur Stress - Joachim Feldkamp
Um die Unterfunktion der Schilddrüse auszugleichen, helfen nur Hormontabletten. Die müssen ein Leben lang eingenommen werden, da das Schilddrüsengewebe sich im Normalfall nicht regenerieren kann. Auch Kinder können schon von einer Hashimoto-Thyreoiditis betroffen sein, sie haben die größte Chance auf Heilung. Barbara Schulte betont, dass man mit der Hashimoto-Erkrankung in aller Regel nicht „leiden“ müsse. Sie ist Vorstandsvorsitzende der Schilddrüsenliga Deutschland e.V., dem Dachverband der Selbsthilfegruppen für Schilddrüsenkranke und Angehörige. „Problematisch ist nur, wenn die Erkrankung unentdeckt bleibt und die Betroffenen mit einer Unterfunktion herumlaufen“, erklärt Schulte. Mit der Einnahme des Medikaments gehen Symptome, wie Müdigkeit, Frösteln, brüchige Fingernägel oder Konzentrationsstörungen, zurück.
Infografik zu den Symptomen von Hashimoto
In Deutschland sind ein bis zwei Prozent der Bevölkerung betroffen, Frauen zehnmal häufiger als Männer. Die Ursachen sind nicht geklärt. Eine erbliche Veranlagung sei wahrscheinlich, doch es müssten weitere Faktoren hinzukommen, damit die Krankheit ausbricht, erklärt Joachim Feldkamp, Endokrinologe am Bielefelder Klinikum: „Das können Virusinfekte sein oder einfach nur Stress.“

Autoimmunerkrankungen ganzheitlich bekämpfen

Lebenslang Hormone einnehmen zu müssen, damit wollte Christiane Loch sich nicht abfinden. Sie fragte sich, ob die Krankheit durch Lebensstil und Ernährung beeinflusst werden kann und begann, sich intensiv mit Autoimmunerkrankungen allgemein und mit Hashimoto im Speziellen auseinanderzusetzen. Damit jedoch nicht nur sie selbst, sondern auch andere Betroffene von ihren Recherchen profitieren, schreibt Christiane Loch den Blog „Hashimoto-Verstehen“. Das Projekt sei ihr „eine Herzensangelegenheit“, die sie neben ihrem Fulltimejob mit viel Engagement angeht.
Christiane probierte verschiedene Ernährungskonzepte aus. Zunächst ließ sie Gluten weg, was ihr unheimlich schwerfiel. Kein Brot, keine Nudeln, keine Pizza, keinen Kuchen. Erst nach und nach entdeckte sie, dass es all diese Dinge in glutenfreien Varianten gibt. Ohne Gluten fühlte sie sich nach kurzer Zeit kraftvoller und nahm eine Kleidergröße ab. Eine Ärztin riet ihr darüber hinaus zu veganer Ernährungsweise. Nach einer viermonatigen Testphase gab sie dieses Vorhaben wieder auf, es war ihr zu beschwerlich: „Vegan und glutenfrei? Da kann man faktisch fast nur noch Gemüse essen“, sagt Christiane, „Außerdem konnte ich einfach nicht dauerhaft auf Fleisch verzichten.“

Ernährungsumstellung: Von Selbstversuchen zum eigenen Kochbuch

Zitat: Mit dieser Ernährungsweise habe ich mich gut gefühlt, aber es war sehr anstrengend. - Christiane Loch
Sie testete daraufhin die Paleo-Diät, eine Ernährungsart, die den Bedingungen der Steinzeit nachempfunden sein soll. Das betrifft Nahrungsmittel, die vor zehn- bis 20.000 Jahren verzehrt wurden, vor Ackerbau und Viehzucht. Dazu gehören Gemüse, Fleisch (Wild), Fisch, Beeren, Kräuter, Pilze, Nüsse, Eier, Früchte und Honig. Verzichtet wird auf Milch und Milchprodukte, Alkohol, industriellen Zucker sowie jegliches Getreide und Getreideprodukte. „Mit dieser Ernährungsweise habe ich mich gut gefühlt, aber es war sehr anstrengend.“ Schließlich, so resümiert sie, habe sie eine Ernährungsweise gefunden, die zwischen Paleo und Low Carb (wenig Kohlenhydrate) liegt.
Aus den Ernährungsmethoden, die ihr in weiten Teilen gut bekamen, entwickelte Christiane ein eigenes Konzept. Sie kreierte Rezepte ohne Gluten, Milchprodukte und Soja. Damit fühlte sie sich besser und fitter. Es ließ sie genug Motivation sammeln, um die gesammelten Rezepte – eigene und die von Freunden – in einem eKochbuch zusammenzustellen. „Vital und kraftvoll trotz Hashimoto“ heißt das Ergebnis und richtet sich an Hashimoto-Erkrankte. Christianes Ziel ist es, dass auch andere Betroffene über eine Ernährungsumstellung mehr Lebensenergie für den Alltag zurückgewinnen.

Wichtig: Eine Ernährung, die für die Schilddrüse gesund ist

Auch Fachleute wie der Arzt Joachim Feldkamp sprechen sich dafür aus, über eine entsprechende Ernährung der Schilddrüse möglichst alle Nährstoffe zuzuführen, die sie braucht, um richtig funktionieren zu können. An erster Stelle steht das Jod, denn es wird zur Produktion von Schilddrüsenhormonen dringend gebraucht. Auf Reisen sind die passenden Lebensmittel allerdings gar nicht so leicht zu finden. Christiane Loch entscheidet sich daher meist dazu selbst zu kochen. Und mit der Zeit fand sie heraus, wo man in Neuseeland glutenfreie Pizza bekommt oder in den Niederlanden Biolebensmittel, Joghurt ohne Milch und glutenfreies Brot.

O-Ton: "Eine normale Iodversorgung in der Ernährung schadet dem Patienten mit Hashimoto nicht." (Dr. Joachim Feldkamp)


Auf den Körper hören und Stress vermeiden

Zitat: Für mich hat sich mein Leben nach der Diagnose total verändert.  - Christiane Loch
Inzwischen lebt die IT-Beraterin mit ihrer Erkrankung ganz gut. Sie pflegt ihren Lebensstil aus spezieller Ernährung, Nahrungsergänzungsmitteln und Sport. Stressphasen gleicht sie mit Ruhepausen aus und hört auf ihren Körper. Das ist auch ihre Empfehlung für andere Betroffene. Jeder habe seinen eigenen Trigger, der ihn aus dem Gleichgewicht bringe. Bei ihr sei es Stress im privaten Umfeld. Das gilt für viele andere auch: Stress, ob privat oder beruflich, ist zumeist der Auslöser, der die Betroffenen aus dem Gleichgewicht und die alten Symptome der Schilddrüsenunterfunktion wieder zum Vorschein bringt.
„Für mich hat sich mein Leben nach der Diagnose total verändert“, erzählt Christiane heute, „auch wenn ich mit einem gewissen Risiko in meine Auszeit gegangen bin, denn ich wusste damals nicht, ob ich danach wieder Arbeit haben würde.“ Doch ohne die Hashimoto-Erkrankung hätte sie sich vermutlich nicht aufgemacht und alles einmal hinter sich gelassen. Sie hätte nicht von der Möglichkeit erfahren, weltweit für IT-Kunden tätig werden zu können und ihre Leidenschaft, immer wieder neue Orte und Menschen kennenzulernen, wäre unentdeckt geblieben.
Zum Weiterlesen: Joachim Feldkamp: „Gut leben mit Hashimoto“, TRIAS Verlag 2018
Infografik zu Hashimoto

Superfood für eine leistungsfähige Schilddrüse

Einige Vitamine und Spurenelemente sind für die Schilddrüse besonders wichtig. Um sie in ausreichender Menge zuzuführen, braucht es keine Nahrungsergänzungsmittel, denn sie sind alle in alltäglichen Lebensmitteln zu finden.
Selen
  • Lange Zeit diskutierten Mediziner die Gabe von Selen bei Hashimoto. Das Spurenelement wird für die Bildung von Schilddrüsenhormonen benötigt. Zudem kann es den Antikörperspiegel gegen Schilddrüsenzellen senken. Mehrere Studien haben dies gezeigt. Täglich drei bis vier Paranüsse zu essen, ist für eine ausreichende Selenzufuhr optimal.
Zink
  • Zink ist ebenfalls ein wichtiges Spurenelement für die Schilddrüse und Zinkmangel geht mit reduzierten Werten der Schilddrüsenhormone einher. Viel Zink findet sich in Getreide, auch in glutenfreien Varianten, wie Reis, Mais oder Hirse, zudem in Hülsenfrüchten.
Eisen
  • Ein Eisenmangel beeinträchtigt den Schilddrüsenstoffwechsel. Gerade Hashimoto-Patienten können von Eisenmangel betroffen sein. Aber auch Frauen mit starker Regelblutung können in dieser Zeit einen Eisenmangel haben und eine bereits bestehende Schilddrüsenunterfunktion kann sich verschlimmern. Dunkles Fleisch und Leber enthalten viel Eisen, daneben Hülsenfrüchte und Sesam.
Jod
  • Jod ist für die Schilddrüse wichtig, denn zu wenig Jod führt zu einem Mangel an Schilddrüsenhormon. Jod findet sich in jodiertem Speisesalz, in Seefisch und Algen.
Vitamin D
  • Das Sonnenvitamin D wird – angeregt über die Sonneneinstrahlung – in der Haut gebildet. Es reagiert mit Zellen des Immunsystems und beruhigt die „Killerzellen“, die sich normalerweise gegen Krankheitskeime richten, aber bei Autoimmunerkrankungen körpereigenes Gewebe angreifen. Zudem senkt es die Antikörperbildung bei autoimmunen Prozessen. Vitamin D ist in Lebertran, Räucheraal, Eigelb und Pfifferlingen enthalten.
Veröffentlicht am 29.08.2019